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12.09.2015

Anne Boleyn. Oder: Warum man nicht alles glauben soll, was man so liest.

Befor irgendwer irgendwas sagt: Keine Sorge, die endlose Reihe "Historische Frauen" wird blad auch mal wieder mit was anderem unterbrochen, aber momentan kommt mir zuviel Leben dazwischen. ;-)

Aber heute erstmal noch:  Anne Boleyn: A New Life of England's Tragic Queen geschrieben von Joanna Denny


Für diese Rezi über ein Buch, das ich schon ziemlich lange habe, aber jetzt erst wieder "Wieder-Gelesen" habe - und dabei einige wirklich wichtige Dinge festgestellt - muss ich allerdings einen kleinen Exkurs starten: Warum Quellenkritik?

Es ist eine Krankheit, die Historiker oft befällt, aber noch lange nicht oft genug praktiziert wird wo es um "Populärwissenschaft" geht. Und das zu Unrecht, denn eigentlich macht sie Geschichte erst spannend - Wer sagt was, aus welchem Grund, mit welchem Hintergedanken und wie?
Diese Frage muss bei JEDER historischen Quelle beachtet werden und darf eigentlich nie in den Hintergrund treten, denn ansonsten haben wir 5000-500 Jahre Geschichte, die von falschen Tatsachen ausgeht, weil man einfach ohne jeden Grund annimmt, dass Zeitgenossen immer nur die reine, neutrale Wahrheit zu berichten haben.

In diesem Zusammenhang möchte noch nochmal auf die Anne Boleyn Biographie von Ms Erickson hinweisen, die diesen Fehler (und andere) macht - Geschichten für bare Münze nehmen, die Personen berichten, die es nichtmal schaffen das Subjekt ihrer Berichte beim Namen zu nennen, sondern nur von "der großen Hure" sprechen. Sind diese Menschen ("Botschafter" oder nicht, dieses Wort und die damit verbundenen Aufgaben sind eine moderne Erfindung und selbst heute würde ich in dem Business keinen Treueschwur zur Wahrheit vorraussetzen) wirklich die neutralen Quellen, denen man uneingeschränkt glauben sollte? Ich glaube nicht, Tim.

Auf diese Quellen verweist Ms Denny mit konsequenter Regelmäßigkeit und ich würde das für sehr verdienstvoll halten, wenn nicht ihre eigene Agenda aus quasi jeder Seite des Buches springen würde. Neue Darstellungen "böser Frauen" sind ein Hobby von mir und ich lese sowas gern - aber nicht, wenn die "Rechtfertigung" auch sehr selektiv mit Informationen umgeht. Plötzlich hat die dargestellte Person gar keine menschlichen Schwächen mehr, sondern ist einfach nur missverstanden in ihrer göttlichen Mission, die das Volk natürlich zu 100% mitträgt, auch wenn das alle bösen bösen Katholiken (die natürlich alle immer nur von den niedersten Motiven angetrieben sind) immer verheimlichen wollen? Äh ja, nein. Nett gemeint, aber übers Ziel hinaus geschossen.
Diese Art von "Protestanten super - Katholiken doof" Quellenselektions-Keule stört mich fast mehr als einfach schlampige oder inkosequent zuende gedachte Übernahme von zeitgenössischem Tratsch.

Und das bringt uns auch schon zu einer anderen Frage, die man als Historiker immer wieder gestellt bekommt: Warum sollte man soviele Bücher zu immer demselben Thema lesen oder auch warum sollte man ein Sachbuch mehrmal lesen wollen?
Genau deswegen. Weil es manchmal einfach mehrere Sichtweisen braucht, um sich irgendwo an ein Thema anzunähern und/oder weil man beim ersten Lesen manchmal nicht auf Zack genug ist die Agenda des Autors zu durchschauen - ich empfehle daher bei beiden Biographien sie mal gleichzeitig mit G.J Meyers Tudors zu lesen, der wirklich verstanden hat, wie man neutrale Quellenkritik betreibt. Es dürfte sehr erhellend sein! ;-)

Bis dahin gibt es auch wieder nur 2,5 von 5 Falken für eine nett gedachte Biographie mit erheblichem Missionars-Nervfaktor.

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