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24.05.2013

Dragon Age 2 & DLCs. Oder: Kill the Set-Designer!

Irgendwie beschäftige ich mich in letzter Zeit sowieso ständig mit der Dynamik von Fortsetzungen, da passt es doch ganz gut, wenn wir den Sprung von Film zum Gaming noch mitnehmen, denn wie ich immer predige:
Gutes Story-Telling funktioniert nach denselben Grundprinzipien, egal in welchem Medium!:-)

Man erinnerst sich vielleicht noch an meinen Post zum ersten Teil: Abzüge in der Abwechslung und Tiefe der Haupthandlung, aber großartiges Characterplay.
Gemessen an der riesigen Fan-Base im Internet und den 95.000 Weiterführungen in Form von Fan-Fiction, Büchern, Comics, Fan-Filmen und und und, die aus Dragon Age Origins erwachsen sind, ist das vermutlich schon für Viele eine geradezu blasphemische Einschätzung, aber wer wäre ich, wenn ich ein wenig überzeugte Blasphemie nicht zu schätzen wüßte?;-)

Und wie es oft passiert, wenn der Hype um einen ersten Teil groß genug ist: Die Fortsetzung kann es eigentlich nur schlechter machen.
Nach diesem rezeptionistischen Grundgesetzt finden sich also allerlei mehr oder minder peinlich-unreflektierte Verisse zum zweiten Teil Dragon Age im Netz.
Und was tut mal als Blasphemiker aus Überzeugung, wenn man mit unreflektierten Kritiken konfrontiert wird? Richtig, man widerspricht. Aus Überzeugung, aber auch, weil es in diesem Fall noch viele andere gute Gründe gibt!;-)

Worum es geht:
Meinen Hauptkritikpunkt aus Teil 1 kann ich hier schonmal nicht übernehmen, denn die Handlung von Dragon Age 2 passt höchstens auf einen sehr großen Bierdeckel.;-) Das liegt schon daran, dass hier in drei großen Sprüngen insgesamt 7-8Jahre aus dem Leben des Haupthelden zur Debatte stehen - und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier erzählt sich die Geschichte in Retrospektive, was einige sehr nette Übergänge und Stilmittel verfügbar macht, die einfach in der Ich-Held-Da-Bösewicht Mechanik von Teil 1 völlig unnötig gewesen wären.
Im zweiten Teil beginnen wir aber nunmal nicht als der Ausnahme-Held, sondern als Flüchtling in einer fremden Stadt, die nicht gerade ein Paradies für Menschen ist, die sich gerne aus Problemen und Politik heraushalten.;-)
Viele Fans finden diese Unsicherheit der eigenen moralischen Persona scheinbar anstrengend, zumal auch jeder der Companions im zweitel Teil seinen eigenen Konflikt-Ballast mitbringt und nicht mehr nur als Deko im Lager herumsteht, wenn man ihn grade nicht braucht.
Ich kann nur sagen, an dieser Stelle scheidet sich der Power-Gamer vom Rollenspieler - wer eine gute, vielschichtige, moralisch ambivalente Geschichte nicht zu schätzen weiß, soll halt wieder Zombies erschießen von mir aus! Ich empfand es im Gegenteil als ein enormes Plus, dass meine NSC sich nicht mehr nur aus Ein-Adjektiv-Charakteren rekrutieren - so witzig das in Teil 1 auch war, aber "der besoffene Zwerg", "der notgeile Elf" und "die grantige Hexe" sind jetzt nicht unbedingt Labels für die interessantesten, hintergründigsten Charaktere. "Leider" bedeutet das aber auch, dass man Approval nicht mehr nur durch dumme Geschenke generieren kann, sondern sich irgendwie auf die Eigenheiten und Weltanschauungen seiner Leute ein wenig einlassen muss - oder eben auch nicht, immerhin ist es möglich völlige Loyalität auch mit 100% Rivalität zu erreichen.

Was mir nicht so gefiel:
Auf die NSC-Interaktion komme ich nacher nochmal zurück, aber vorher erstmal das riesige Minus zum Anfang: Das Spiel ist einfach halb-fertig auf den Mark geworfen worden!
Das ist mitnichten eine Einschätzung meinerseits, sondern von Bioware zugegebener Fakt: EA hatte irgendwann seine Deadline weglaufen sehen, also wurde der Abschluss der Entwicklung auf Gedeih und Verderb vorangepeitscht - und das merkt man!
Zunächst einmal sind einige der Nebenquesten leider ziemlich verbuggt - nicht an entscheidenden Stellen, aber es nervt trotzdem machmal - und auch hier hat man die Ressourcen lieber in das nächste Spiel gesteckt, als da noch den ein oder anderen Patch nachzuliefern...schlimmer als bei Awakening ist es allerdings nicht, da funktioniert ja an Companion-Interaktion nur die Hälfte, wenn man nicht vorher die Wiki auswendig gelernt hat...;-)
Lassen wir das also mal als Nachteil des Konsolenspielens an sich und nicht des Spiels im Speziellen so stehen, denn leider gibt es noch Wichtigeres zu besprechen:
Zum einen gibt es kaum noch gute Cut-Scenes, was ich extrem schade finde - es muss ja nicht immer die epischen Ausmaße von japanischen Spielen annehmen (ich sage nur 45Minuten...;-), aber gerade aus der Erzählsituation hätte sich noch mehr rausholen lassen...und ein Endgegnerkampf ohne Musik und fast ohne Cut-Scenes fühlt sich so...leer an...
Das mag eine persönliche Präferenz sein, aber es kommt noch schlimmer: Wenn man es nicht selber erlebt hat, kann man sich kaum vorstellen wie furchtbar nervig es ist 80Spielstunden lang durch immer die exakt gleichen Karten zu laufen, weil es nur eine generische Küste, eine generische Höhle, ein generisches Lagerhaus und ein generisches Anwesen gibt. Wie man auf die Idee kommen konnte, dieses Map-Recycling würde nicht so ins Gewicht fallen, ist mir un-ver-ständ-lich!!
Ich war sehr froh, dass die Signature Edition tatsächlich die drei Haupt-DLCs A Foreign Prince, Legacy & Mark of the Assassin verfügbar macht - hier passieren nämlich diese ganzen Dinge (mehr Cut-Scenes, mehr Party-Interaktion, mehr detailreiche Karten), für die im Originalspiel die Entwicklungszeit nicht mehr gereicht hat. Das hält zwar davon ab an den ewig gleichen Sets völlig zu deprimieren, aber den restlichen 60Spielstunden hilft es immer noch nicht...

Was mir gut gefiel:
Ich habe es grade schon angedeutet: Man sollte die DLCs hier unbedingt mitnehmen! Nicht nur macht Felicia Day als Elfen-Assassine einfach Spaß, auch die Einsichten und Charaktere aus den anderen Paketen sind es durchaus wert - und man bekommt wieder einen Hund!!;-)
Was Dragon Age 2 in meinen Augen rettet, ist die konsequente Ausmerzung jeglicher schwarz-weiß Entscheidungen! Egal ob es um deine eigene Geschichte geht - und auch hier geht es viel persönlicher zur Sache, als im ganzen Teil 1, festgelegter Hintergrund hin oder her! - oder um deine Beziehung mit deinen Companions oder auch um die Freundschaften&Feindschaften deiner Party untereinander, es gibt nur sehr(!) selten ein Richtig oder Falsch, nur deine Entscheidung und wie du damit umgehst.
Das führt dazu, dass sich der Hauptcharakter und auch die NSC sehr viel mehr wie eigenständige Personen anfühlen und nicht nur wie notwendige Kampftruppenverstärkung, die man im Schrank parkt, bis sie wieder benötigt wird.
Ich habe ein wenig die Gespräche am Lagerfeuer vermisst, aber dafür, dass man prinzipiell weniger Gespräche führen kann, macht der Faktor "Oh mein Gott meine Figur spricht" schon vieles besser und die Synchronsprecher (zumindest in der Englischen Fassung, die Deutsche habe ich nicht getestet) machen ihre Sache auch wirklich gut!! Von einigen würde ich mir durchaus auch ein Telefonbuch vorlesen lassen...;-)

Die "im Nachhinein"-Erzählsituation läd naürlich dazu ein viele kryptische Anspielungen zu machen, aber glücklicherweise wird das nicht überstrapaziert und die Stilmittel, die die Entwickler daraus gestrickt haben (sei es jetzt in Cut-Scenes oder "steuerbarer-erzählter-Geschichte") haben sehr viel Geniales an sich! Das liegt aber auch daran, dass der Erzähler-NSC einfach großartig ist...;-)
Und nur der Vollstädnigkeit halber. Cameo-Auftritte und Übertragung der Spielentscheidungen aus DAO & Awakening in Teil 2 funktionieren einwandfrei - ich liebe diese kleinen Details!:-)

Unterm Strich komme ich also zu der durch und durch blasphemischen Einschätzung, dass Dragon Age Origins lange nicht so fehlerlos gut war, wie alle behaupten und Dragon Age 2 lange nicht so anstrengend schlecht ist, wie alle schreien!
Ich hoffe, dass man sich für den dritten Teil nicht wieder dazu zwingen lassen wird ein unfertiges Spiel als verkaufsreif zu deklarieren - hier ist jede Kritik leider gerechtfertigt - ich hoffe aber auch, dass man sich von der kontrollbesessenen Power-Gamer-Fraktion nicht wieder in die Gradlinigkeit von DAO zurück-geifern lassen wird. Dann könnte Dragon Age Inquisition tatsächlich ein verdammt gutes Spiel werden!:-)

Für Teil 2 vergebe ich daher konsequenterweise dieselben 4,5 von 5 Hundekeksen - der Abzug im Set-Design ist zwar gravierend, aber die interessantere Handlung reißt es wieder raus - nach demselben Prinzip der anderen Fortsetzungen. Film, Spiel, Buch...eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte!;-)

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